Interview Hannoversche Allgemeine Zeitung

Aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom Montag, den 11. Juni 2007

IM INTERVIEW

Heinz-Wilhelm Gößling, Psychiater und Psychotherapeut an der Psychiatrischen Klinik Langenhagen, hat die besten Tipps für eine wirksame Entspannung. Denn immer mehr Menschen fühlen sich gestresst und erschöpft. Manche werden vor Anspannung krank.

20 Minuten für die Muße

Welche Methoden helfen beim Entspannen?
Zum einen gibt es eher körperorientierte Verfahren wie Yoga. Zum anderen kann man mentale Verfahren nutzen wie das autogene Training oder bestimmte Formen der Selbsthypnose, die mit inneren Bildern arbeiten, auf die man sich konzentriert. Einen Mittelweg stellt die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson dar. Dabei werden einzelne Muskelpartien zunächst kurz angespannt, anschließend wird die Spannung wieder gelöst. Zum Erlernen ist das autogene Training gut geeignet, weil es klar gegliedert ist und bei regelmäßigem Üben sehr tief gehende Entspannung ermöglicht.

Wie funktioniert autogenes Training?
Dabei nutzen Sie die eigene Vorstellungskraft dazu, sich in einen Zustand der Tiefenentspannung zu versetzen. Hierzu bedient man sich bestimmter Formeln, die aus der Hypnose abgeleitet sind. Sie sagen sich etwa: „Meine Arme und Beine sind schwer, angenehm schwer“, da die Anspannung der Muskulatur in einem entspannten Zustand nachlässt. Sie stellen sich also etwas vor – und dann geschieht es körperlich. Insgesamt gibt es sechs solcher Formeln, auch für die Atmung, den Herzschlag, die inneren Organe.

Wie erlernt man die Methode am besten?
Man sollte einen Kurs besuchen, denn für das autogene Training benötigt man anfangs Anleitung. Es ist genau so, als ob Sie lernen, ein Instrument zu spielen. In den Kursen geht man Schritt für Schritt vor. Alle sechs Formeln auf einmal zu lernen, macht keinen Sinn. Und regelmäßige Übung ist natürlich unerlässlich.

Eignet sich autogenes Training für jeden?
Prinzipiell ja. Allerdings profitieren Menschen mit einem starken Kontrollbedürfnis vermutlich eher von den körperorientierten Methoden. Abgesehen davon entscheiden die persönlichen Vorlieben. Das Gute an allen genannten Methoden ist, dass Menschen, die sie nutzen, auch Selbstbewusster werden, weil sie wissen, dass sie selbst etwas gegen den Stress tun können.

Was kann man im Alltag tun?
Man sollte sich bereits morgens vornehmen, sich irgendwann für zwanzig Minuten aus dem Alltag auszuklinken. Dann kann man sich an ein schönes Erlebnis erinnern, zum Beispiel eine Bergwanderung oder einen Tag am Meer. Wichtig ist, sich ganz konkret zu erinnern: Wie sah es dort aus? Wie fühlte sich der Weg oder Sand an? Welche angenehmen Gerüche gab es? Haben Vögel gezwitschert? Nach zwanzig Minuten sollte man sich selbst wach machen, sich recken, strecken, gähnen – und wieder in den Alltag zurückkehren.

Kann man beim Entspannen auch etwas falsch machen?
Sich selbst zwingen zu wollen. Wer sich gerade geärgert hat und noch unter Volldampf steht, sollte sich nicht unter Druck setzen, jetzt gleich entspannen zu können. Entspannung braucht einen Übergang. Gehen Sie in ein anderes Zimmer oder schreiben Sie sich auf, was später noch zu erledigen ist, um den Kopf freizuhaben. Und: Niemand sollte erwarten, immerzu entspannt zu sein. Zufriedenheit entsteht ja gerade aus dem Wechselspiel von Arbeit und Muße.

Interview: Claudia Gerhardt

Veröffentlicht unter Pressespiegel
Ein Kommentar auf “Interview Hannoversche Allgemeine Zeitung
  1. Mr WordPress sagt:

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